Warum Wiener Lokale zu den besten Pizzerien der Welt zählen
In Neapels Bagnoli, dem Industrieviertel mit sensationellem Blick auf das Meer, soll sich die beste Pizzeria der Welt befinden. Pizzaiolo Diego Vitagliano ist freilich kein typischer Pizzabäcker, gespeist wird in einem elegant wirkenden Wohnzimmer und es gibt einen gut bestückten Weinkeller. Kein Wunder, dass das Restaurant 10 Diego Vitagliano von Schauspielerin und Sportlern gestürmt wird.
Trotzdem kommt die Marinara auf wohlfeile 6,50 Euro, die Margherita auf 7,50 Euro – Preise, die es nur in Neapel geben kann, wie die italienische Jury der aktuellen Rangliste "50 Top Pizza" positiv anmerkte. "Der Teig ist leicht, sehr bekömmlich, die Pizza gekonnt belegt und perfekte ausbalanciert", so die Jury-Begründung.
Auch Österreich ist in der Rangliste, die am Wochenende veröffentlicht wurde, vertreten: Auf Rang 17 platzierte sich die Via Toledo Enopizzeria, als weitere Geheimtipps ohne Platzierung werden die Pizza Mari sowie die Randale empfohlen.
Zwar zeigt sich die Wiener Gastronomin Maria Fuchs über die Empfehlung ihrer Pizza Mari erfreut, dennoch sieht sie Ranglisten kritisch. "Oft sind die Konzepte nicht vergleichbar. Unsere Pizza ist schnell, wir sind ein Fastfood-Lokal, kein Haubenrestaurant." Womit die genannten Wiener Restaurants punkten?
10 Diego Vitagliano Pizzeria, Neapel (I)
I Masanielli – Francesco Martucci, Caserta (I)
Una Pizza Napoletana, New York (USA)
Sartoria Panatieri, Barcelona (SP)
The Pizza Bar on 38th, Tokio (J)
I Tigli, San Bonifacio (I)
Seu Pizza Illuminati, Rom (I)
50 Kalò, Neapel (I)
Bottega, Peking (I)
180g Pizzeria Romana, Rom (I)
Die einfache und auch ehrliche Antwort: Mit dem gleichen Lieferanten für italienische Original-Zutaten, so Fuchs. Die Gastronomin wusste im Vorfeld, dass sie auf der Liste landen könnte oder zumindest empfohlen werden könnte, da sich eine Journalisten-Gruppe aus Italien angesagt hatte.
Aber was ist das Geheimnis der perfekten, neapolitanischen Pizza? "Es sind mehrere Faktoren. Neben dem Handwerk gelingt der elastische Teig mit der italienischen Mehlsorte Tipo 00, die einen sehr hohen Kleber-Anteil entwickelt. Wir adaptieren den Teig je nach Witterung, Wärme und Feuchtigkeit in der Luft."
Der "Verein zum Schutz der wahrhaftigen neapolitanischen Pizza" – die Associazione Verace Pizza Napoletana – kennt kein Pardon, wenn es um die authentische Machart ihres Nationalstolzes geht. Fuchs widerspricht ein wenig: Nicht jeder Teig könne gleich schmecken oder die gleiche Teigruhe haben. Da ihr Restaurant zum Beispiel über keinen Kühlraum verfügt, muss die Gastronomin beim Vorbereiten des Teiges je nach Auslastung des Lokals flexibel bleiben.
Bei der neapolitanischen Pizza erzeugt ein Weizensauerteig die typischen Aromen: "Man könnte auch einen Vorteig produzieren, wir aber mischen unsere Lievito madre" ("Mutterhefe") täglich hinzu: Der Teig rastet dann mindestens 48 Stunden."
Pizzaioli schlagen den Teig mehrmals auf: Je länger der Teig ruht, desto besser für den Geschmack. In dieser Zeit wird die Stärke aufgespalten und Zuckermoleküle werden zu Kohlendioxid vergoren. Fein-säuerliche Aromen und kleine schwarze Punkte entstehen im Teig.
90 Sekunden im Holzofen
Die markanten, dunklen Brandblasen entstehen beim Backen im Holzofen - in ihrem zehnseitigen Dokument formulieren die Hüter der Zunft strenge Regeln: Gebacken wird die "Vera Pizza Napoletana" ausschließlich in einem Holzofen bei 485 Grad. Die Kochzeit sollte 60 bis 90 Sekunden nicht überschreiten.
Je nach Ofen-Größe passen vier bis acht Pizzen in die sogenannte Kuppel, in der Heizkammer hat es mindestens 350 Grad: "Boden- und Raumtemperatur unterscheiden sich. Wie in der Sauna ist es am Boden kühler. Jede Pizza, die im Ofen gebacken wird, verbraucht Hitze. Wenn man einen starken Abend mit vielen Bestellungen hat, ist der Ofen gegen Schluss nicht mehr so heiß."
Restaurants mit wenigen Tischen haben also hier einen Vorteil, Lokale mit vielen Gästen einen Nachteil.
So bäckt die prominenten Pizzeria Da Michele in Neapel dermaßen heiß, dass die Pizzen gar nicht durchgebacken serviert werden. "Es gibt große Qualitätsunterschiede: Zu viel Hitze ist nicht immer gut. An der Oberfläche sind diese Pizzen dann verbrannt, aber in der Mitte noch roh, dadurch schmeckt das Mehl bitter."
Wie die perfekte Pizza schmeckt
Erkennungsmerkmal der authentischen Handwerkskunst im süditalienischen Stil? Das sagen die neapolitanischen Pizzabäcker:
- Sie sollte weich,
- elastisch und
- leicht zu falten sein.
- Die Mitte (vier Millimeter dick) sollte besonders zart am Gaumen sein, wobei die Farbe der Sauce im Mittelpunkt stehen muss.
- Öl, Basilikum und Knoblauch gehen eine Symbiose mit der Sauce ein.
"Man sieht und schmeckt sofort den Unterschied: Die neapolitanische Pizza hat einen hohen Rand – auf Italienisch auch Bilderrahmen genannt. Ich bevorzuge auch einen besonders hohen Rand und bin damals gewarnt worden, dass die Wiener das nicht mögen werden. Aber das war mir egal. Generell muss das Verhältnis von Teig und Sauce passen, wenn der Gast ein mundgerechtes Stück herausschneidet", so Fuchs.
Was den Belag angeht, so sind Süditaliener nicht so puristisch, wie man glauben könnte: Ein neapolitanischer Klassiker ist Pizza con Wurstel – eine Flade mit geschnittenen Würsteln und Pommes. Auch international muss der Belag keinesfalls rot, weiß, grün sein: So setzt der New Yorker Gastronom Yuu Shimano auf die Kombination von Teriyaki Huhn mit Wasabi Mayo - in Chicago wiederum ist der Mix von Fenchel-Wurst mit grünem und rotem Paprika sowie roter Zwiebel ein Klassiker.
Kommentare